Nun treffen wir auf das Haus von Schäng Meyer,
die Rheinstrasse 150
Johann Meyer, Rufname „Schäng Meyer“ oder „Meyer´s Schäng“ war wohl einer der charakteristischsten Menschen seiner Zeit auf´m Lohr. Er war Bewohner des Hauses Nr. 150 und Eigner des Aal-Schokkers Elisabeth, der im Januar 1979 sein jähes Ende durch Eisschollen in den Fluten des Hitdorfer Hafens fand. Johann Meyer entstammt einer Jahrhunderte langen Fährmann´s Familie und half schon seinem Vater und Grossvater beim Übersetzten von Fracht und Passagieren auf den alten flachen Fährnachen.
Rheinstrasse 150, die Heimat vom „Schäng Meyer“
im Juni 2006
Foto: Dirk Hülstrunk, Hitdorf
Johann „Schäng“ Meyer um 1960
Foto: Astrid Behrendt, Spaziergang durch das alte Hitdorf
Rheinstrasse 150, die Heimat vom „Schäng Meyer“
Dort wohnt nun ein Hollandfahnenaffiener Mensch der noch Spass am Flaggensetzen hat
im Juni 2025
Foto: Dirk Hülstrunk, Hitdorf
Schäng Meyer war ein komischer Kautz. Er wohnte tagsüber auf seinem alten Schokker, mitten im Hitdorfer Hafen. Abends ging er hoch in sein kleines buntes Häuschen, in dem seine Frau, dat Lieschen wohnte. So erhielten die beiden alten Leute wohl ihren Ehefrieden. Und jeden Mittag, den Gott erschaffen hatte, hörte man auf der Lohrer Rheinstrasse, etwa Höhe des Hauses 150 eine schrille Altfrauenstimme laut und deutlich rufen: „Schääääng, esse kumme…!“ Lieschen war es dabei egal, dass sich zig Solinger Touristen nach ihr umschauten, die Sonntags „dat groote Water kieken“ kamen. Viele davon blieben vor dem bunten Ensemble, nämlich Schiff unten, Häuschen oben, stehen und staunten nicht schlecht über dieses eigenartige, wenn auch sympathische Stückchen Lokalkolorit im Hitdorfer Hafen.
Nach Lieschens Ruf, quer durch die Nachbarschaft, sah man dann, wie sich ein hagerer, ganz in blau gekleideter, wenn auch noch drahtiger alter Mann mit blauer Schiffermütze und einem immer brennenden Mucks (flache Pfeife für hellen Tabak) im Mundwinkel, mit holländischen Holzschuhen (Blotschen) an den Füssen, langsam von seinem geliebten Schiff löste, gemächlichen Schrittes über das Bretter-Brückchen klapperte und sich nach oben begab, der notwendigen Handlung der Nahrungsaufnahme entgegen.
Der Aal-Schokker "Elisabeth" im Januar 1979 durch Treibeis im Hitdorfer Hafen Leckgeschlagen und gesunken
Foto: Rheinische Post vom 18. Januar 1979
Der Aal-Schokker "Elisabeth" von Johann „Schäng“ Meyer 1974 im Hitdorfer Hafen
Foto: Heinrich Peter Schmitz, Langenfeld
Hatte Schäng etwas Kniffeliges zu tun, konnte es sein, dass Lieschens Stimme zum zweiten mal erscholl, diesmal noch kräftiger als vorher und noch ungerührter gegenüber der zwischenzeitlich interessierten Bevölkerung, in dem sie rief: „ Schäääääääääng, kumm jitz esse, et wöht kahlt…!“
Etwas peinlich berührt konnte es sein, dass Schäng dann brumming antwortete: „Jo, du domm Minsch, esch hann et verstande, fang schon enz ahn…!“
Jedenfalls führten die Lockrufe des Lieschens immer zum gewünschten Erfolg, auch wenn sich Schäng auf seinem flachen Nachen von seinem fest vor Anker liegenden, zum Hausboot umfunktionierten Schiff weit entfernt hatte, also z.B. auf dem Od mal nach dem rechten guckte, oder bei Hochwasser gerade mal wieder einen wichtigen Baumstamm fischte, den man eventuell gebrauchen könnte. Lieschens Stimme kam überall hin. Böse Stimmen munkelten, dass man Lieschen selbst am Niederrhein noch hörte und sie so manchen Schiffer vor dem Einschlafen bewahrt hätte.
Hatte Schäng nun gegessen, war er eiligst wieder auf seinem Schiff und fummelte etwas oder putze zum 100sten mal die Stege drumherum. Oftmals malte er auch die bunten Farben seines alten Eisenschiffes nach, welches bezeichnenderweise „Elisabeth“ hiess, nach der Frau, die Schäng wohl verehrte .
Johann „Schäng“ Meyer im Januar 1979 im stolzen Alter von 82 Jahren
Foto: Leverkusener Anzeiger vom 18. Januar 1979
Der Aal-Schokker "Elisabeth" im Januar 1979 durch Treibeis im Hitdorfer Hafen Leckgeschlagen und gesunken
Foto: Rheinische Post vom 18. Januar 1979
Das Schiff vom Schäng war ein Valk-Segelschiff, ein alter holländischer Plattboden-Klipper aus Eisen, der früher in der Zuidersee (heutige Ijsselmeer) zum Transport von Torf und Tulpenzwiebeln benutzt wurde. Später wurde der Lastensegler zum Fischereifahrzeug umgebaut und rheinaufwärts nach Remagen geschafft. Dort diente das Schiff bis in die 1950er Jahre als Aal-Schocker, bis dieser Erwerbszweig durch die zunehmende Rheinverschmutzung zum erliegen kam.
Schäng hatte, als alter Seemann und Absolvent der kaiserlichen Kriegsmarine (er hat auf der S.M.S Hohenzollern gedient), diesen Schokker eigenhändig aus Remagen geholt und im Hitdorfer Hafen vor Anker gelegt.
Es hatte eine grosse Kajüte, die Schäng wohnlich eingerichtet hatte, mit einem Sofa, einem Donnerofen, alten Bildern und Urkunden, Fotos von Verstorbenen, die er in Ehren hielt.
Auf dem Sofa lag lange Jahre ein Wolfsspitz namens „Wölfchen“, während Schäng meist draussen beschäftigt war. Und der ewige Mucks brannte immer.
Last Update 08. Juni 2025